Willkommen & warum unsere Demos (ungewollt) Friedrich Merz helfen
Über die „Stadtbild“-Falle, verlorene Diskursmacht, unsere gemeinsame Suche nach dem Klimadiskurs und warum dieser Hottake nicht unser Letzter sein wird
Es ist schon faszinierend: Rund um die „Stadtbild“-Aussagen des Bundeskanzlers standen in den letzten Wochen (endlich!) erste große Demos gegen die schwarz-rote Koalition auf der Straße – aber blieben im Kern Verstärker einer menschenfeindlichen Debatte.
Das ist natürlich zugespitzt und hart ausgedrückt, denn natürlich haben die Proteste viele positive Effekte gehabt: Sie haben wichtige Normen geschützt, Kritik verstärkt und primär bei jungen Menschen auch Einstellungen verschoben. Es bleibt jedoch die Erkenntnis, dass selbst in Momenten vermeintlicher Machtdemonstration der Progressiven weiterhin Chauvinisten, die AfD und ihr Umfeld die Themen der Debatte bestimmen.
Im Schnelldurchlauf ging es in der “Stadtbild”-Debatte also zunächst um rassistische Ressentiments und Abschiebungen, dann um das Sicherheitsgefühl “unserer Töchter” und am Ende nur noch um “Angstzonen” und ordentliche Innenstädte. Auch auf unseren Gegendemos wurde über Arbeitsmarktintegration und Sicherheitsgefühle gesprochen – statt effektiv den Fokus weg von Debatten zu lenken, in denen Migration und Sicherheit als Themen unweigerlich verknüpft sind. Ein Zusammenhang, der, wohlgemerkt, konstruiert ist und keine tatsächliche Evidenzbasis hat.
Diskussionen um Sparzwänge, Deregulierung und rassistische Ressentiments dominieren nicht nur die Nachrichten und Social Media, sondern mittlerweile oft auch unsere eigene Bewegungsarbeit. Die Klimakrise, Menschenrechte oder politische Vorschläge, die tatsächlich in der Lage sind, gute Lebensbedingungen für Menschen weltweit zu schaffen und zu schützen, werden nicht immer, aber oft nur am Rande diskutiert.
Dass reichweitenstarker Protest gerade vor allem aus Anti-Merz- und Anti-AfD-Demos besteht, ist dabei ein Symptom einer größeren diskursiven Krise, in der die politische Linke sich primär durch ihre Abarbeitung am Rechtsruck und den extremen Rechten definiert.
Dann lieber das nächste Aufregerthema ignorieren? Schweigen, um die Rechten nicht zu stärken? Es ist in dieser Zeit oft die beschissene Wahl zwischen einem Einstieg in eine rechte Debatte oder einem Versinken in Bedeutungslosigkeit. Wenn wir uns entscheiden müssten, ob wir lieber über klimagerechte Politik diskutieren oder uns an rassistischen Parolen von Friedrich Merz abarbeiten, wäre die Antwort einfach. Aber das ist nicht die Entscheidung, die wir aktiv treffen können. In zu vielen Momenten haben wir die Macht über die politische Agenda vollständig verloren.
In unserem Substack wollen wir über die Zivilgesellschaft und die Klimakrise schreiben. Es ist der Anfang unserer Suche nach einer Antwort auf die großen, strategischen Fragen, vor denen wir als ökologische Bewegung stehen. Und trotzdem erwähnt unser erster Text die Klimakrise im ersten Absatz mit kaum einem Wort. Das ist ziemlich symbolisch für die „klimapolitische“ Debatte im Jahr 2025, an die wir anknüpfen – und für die Herausforderungen, vor denen wir stehen.
Wir teilen zwei zentrale Überzeugungen: Ohne konsequente, klimagerechte und ökologische Politik sind gute Lebensbedingungen für Menschen weltweit als Kern linker Politik nicht realisierbar. Und: Ohne eine starke und funktionierende ökologische Bewegung als Motor für sozialen Wandel wird diese Politik weder in guten Gesetzen festgeschrieben, noch umgesetzt. Für beides sah es in der Vergangenheit zwar schon deutlich schlechter aus – aber Stand jetzt eben auch einmal besser.
Es stimmt zwar nicht, dass die Klimabewegung nichts mehr gewinnt – der Sieg rund um den Hamburger Zukunftsentscheid beweist das. Trotzdem ist auch dort klar geworden, dass Erfolge nur gegen größte Widerstände und mit kleinteiliger Schweißarbeit gewonnen werden können – und nicht mehr durch Momentum und Begeisterung. Für solche Gefühle schauen wir heute lieber nach New York, statt ins Plenum. Mamdani Vibes in Hamburg? Nicht mal in Sichtweite! Und, Hand aufs Herz: Wer hat mitbekommen, dass Fridays for Future für diesen Freitag in über 70 Städten Aktionen und Proteste anlässlich der Weltklimakonferenz in Belém plant?
Wir alle haben 2019 die größten Klimaproteste der Geschichte gemeinsam mit Millionen anderen auf die Straße getragen. Seitdem sind wir sehr unterschiedliche Wege gegangen.
Carla hat in den letzten Jahren unzählige bundesweite Aktionen und Kampagnen in der Klimabewegung angestoßen, koordiniert und durch strategische Medienarbeit groß gemacht. Im vergangenen Jahr war sie maßgeblich daran beteiligt, den Gasausstieg als ein nächstes großes Thema auf die Agenda zu bringen, dafür Strategien zu entwerfen und Bündnisse zu bauen.
Jakob ist seit Tag eins Teil von FFF und hat dort Strukturen aufgebaut, die aus einem Haufen Klimakids – wie ihm – eine schlagkräftige Bewegung machen. Im letzten Jahr hat er als Bundessprecher der Grünen Jugend einen der größten antikapitalistischen und ökologischen Jugendverbände in Deutschland wieder auf stabile Füße gestellt.
Maggy hat über mehrere Jahre die bundesweite Social-Media-Kommunikation von FFF betreut und mit Reclaim TikTok und Zusammen Gegen Rechts die größten Proteste gegen die AfD auf die Beine gestellt. Egal, ob Klimakrise oder Brandmauer – wer innerhalb von drei Tagen ein Thema groß machen möchte, ruft besser Maggy an.
Pauline ist in der Anti-Kohle-Bewegung im Rheinland groß geworden und hat führend an Kampagnen gearbeitet, die am Ende zu einem der größten Siege von FFF geführt haben: Den Kohleausstieg. Seitdem arbeitet sie daran, die Klimakrise auf den Straßen, in Fachkreisen oder Talkshows immer wieder zum Thema zu machen, und tüftelt im Hintergrund an neuen Ideen zur Weiterentwicklung von Bewegungsstrukturen.
Heute stellen wir uns alle vier die Frage, was für uns als Nächstes ansteht. Was ist der wirksamste Ort für uns, um Klimaschutz und Gerechtigkeit zu erkämpfen, was sind die besten Strategien? Wie kommen wir von einem Wissen über klimapolitische Notwendigkeiten zu realpolitischen Erfolgen, die ihnen gerecht werden?
Wir kennen die Antwort noch nicht. Aber in diesem Raum wollen wir versuchen, uns ihr anzunähern, Ideen auszuformulieren, sie wieder zu verwerfen und hoffentlich auf dem Weg gemeinsam klüger werden. Hottakes eben!
Unser Anspruch ist es nicht, Tausende mit unserem Substack zu erreichen, sondern genau diejenigen, die mit uns wieder Menschen auf die Straße bringen und an verschiedenen Orten effektiv Mehrheiten für klimagerechte Politik erkämpfen und aufbauen wollen. Unser Anspruch ist es auch nicht, mit unseren Texten die politische Tagesordnung zu bestimmen, sondern gemeinsam nach einer Strategie zu suchen, damit wieder über ökologische Kipppunkte anstatt über faschistische Abgründe diskutiert wird.
Wir würden uns riesig freuen, wenn ihr Lust habt, uns auf dieser Reise zu begleiten. Auch wenn wir unsere Ideen und Texte in Zukunft selten zu viert verfassen werden, wollen wir diesen Weg gemeinsam gehen. Es wird gerade dann spannend, wenn wir unsere Texte zwar untereinander diskutieren, aber am Ende jede unserer Perspektiven für sich sichtbar wird. Und auch mit euch wollen wir gerne ins Gespräch kommen! Schreib uns gerne, was dich gerade beschäftigt, in die Kommentare hier auf Substack und trag dich für unseren Newsletter ein.
Bis bald!
Carla, Jakob, Maggy und Pauline





Ich freue mich!!
Cool, ich bin gespannt :-)